
Es sind Feiertage, und ich habe viel Zeit. Ich stöbere auf X, sehe viel YouTube, lese Zeitungen. Alles für was ich im Alltag kaum Zeit finde.
Die Frage, warum sich Menschen in den USA und Europa zunehmend populistischen oder radikalen Bewegungen zuwenden, beschäftigt mich doch sehr. Als jemand, der sich von Kants Philosophie inspirieren lässt, frage ich mich: Was würde Kant dazu sagen? Kann sein Denken uns helfen, den Frust vieler Menschen zu verstehen, die sich abgehängt fühlen, oder ist der Frust vielleicht sogar ein Resultat seiner Ideale?
Kants Aufforderung, „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“, ist der Kern seines Aufklärungsdenkens. Wir wurden erzogen, kritisch zu denken, die Welt zu hinterfragen und Unstimmigkeiten zu erkennen. Gleichzeitig haben wir gelernt, Autoritäten zu respektieren – sei es in der Familie, in der Schule oder in der Gesellschaft. Doch genau hier entsteht ein Dilemma, das heute mehr denn je spürbar ist.
Wir sind geprägt von der Idee, dass grün grün bleibt – selbst wenn jemand behauptet, es sei rot. In solchen Fällen widersprechen wir, weil es uns so beigebracht wurde. Doch was passiert, wenn diejenigen, die wir als Autoritäten respektieren sollen, plötzlich von uns verlangen, etwas anderes zu glauben? Wenn „grün ist rot“ (z.B.: Geschlechter, Zuwanderung, etc.) zur offiziellen Wahrheit wird? Hier beginnt der innere Konflikt: Soll ich widersprechen, wie es mir Kants Philosophie nahelegt, oder respektieren, wie es meine soziale Prägung verlangt?
Genau dieser Konflikt erzeugt auch bei mir Unsicherheit und Widerstand. Und Unsicherheit schafft Raum für Spekulationen. Es scheint unlogisch, dass Eliten Prinzipien aufgeben, die für uns selbstverständlich sind. Da wir die Gründe nicht nachvollziehen können, suchen wir nach Erklärungen. Und wo keine rationalen Antworten geboten werden, entstehen Verschwörungstheorien. Diese Theorien, aber auch populistische Parteien bieten einfache Antworten auf komplexe Fragen und erklären das scheinbar Unerklärliche. Sie füllen die Lücke, die entsteht, wenn Kants Prinzipien der Vernunft und Transparenz von denen verletzt werden, die sie vorleben sollten.
Der Frust vieler Menschen in den USA und Europa ist meiner Meinung nach das Ergebnis dieser Diskrepanz. Bildung hat uns gelehrt, selbstständig zu denken, doch gleichzeitig erleben wir, dass politische Entscheidungen oft irrational oder widersprüchlich wirken. Kein Wunder also, dass Misstrauen gegenüber Eliten wächst, während Populisten und radikale Bewegungen Zulauf gewinnen. In den USA führte das zur Wahl von Trump, in Europa stärkt es rechtspopulistische und teils radikale Parteien.
Ich bin hier keine Ausnahme, auch für mich spricht Trump mir scheinbar aus der Seele und Elon Musk inspiriert mich, er lässt sich nicht beirren – das irritiert mich zu gleich. Werde ich fehlgeleitet?
Aber was können wir daraus lernen? Kant selbst gibt uns Hinweise. Ich muss wachsam bleiben und auch die einfachen Erklärungen ständig hinterfragen und mich nicht verleiten lassen, den Kopf einschalten, vorausdenken wohin einfache Lösungen führen können, meistens zu nichts Gutem. Gleichzeit wünsche ich mir Eliten würden vorleben, was sie predigen. Transparenz und Rationalität sind unverzichtbar, um Vertrauen wiederherzustellen. Gleichzeitig brauchen wir Bildung, die nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch die Fähigkeit, Widersprüche zu erkennen und produktiv damit umzugehen. Der Dialog darf dabei nicht verloren gehen – Kritik muss erlaubt sein, ohne den Respekt vor der sozialen Ordnung zu verlieren.
Vielleicht ist der Frust, den wir heute erleben, kein Zeichen des Scheiterns, sondern ein Weckruf. Ein Signal, dass Kants Ideale der Aufklärung noch nicht vollständig umgesetzt wurden. Wenn wir diesen Frust ernst nehmen, können wir daran arbeiten, die Werte der Vernunft und des Respekts tiefer in unserer Gesellschaft zu verankern.
Was denkst du? Ist der Frust ein Versagen der Aufklärung oder ein Hinweis darauf, dass wir noch viel zu tun haben? Teile deine Gedanken!
Euer
Luvi.